Problem
Wasser ist seit alters her für alle Kulturen eine zentrale Existenzbedingung, was vielfach in historischen Architekturen und ingenieurtechnischen Bauwerken zum Ausdruck kommt. Der Klimawandel verursacht im mitteleuropäischen Klima ein verändertes Wasserregime mit zunehmenden Trockenperioden und Starkregenereignissen. Daher ist es heute und in Zukunft wichtig, wertvolles Trinkwasser gezielt einzusetzen und Regenwasser als zusätzliche Wasserquelle zu sammeln, zu speichern und zu nutzen. Regenwasser kann als Brauchwasser, zur Bewässerung oder zur Verdunstung über Retention in grünen und blauen Infrastrukturen genutzt werden. Dadurch verbessert sich das Mikroklima und gleichzeitig wird die städtische Kanalisation entlastet (Jaulhac 2008, iii). Welche Strategien und Maßnahmen können zur Regenwassernutzung eingesetzt werden?
Allgemeine Beschreibung
Neben der reinen Speicherung in Retentionsflächen wie Gründächern oder -flächen und Becken oder Teichen kann die Regenwasserspeicherung auch zur Bewässerung von Grünflächen und als Brauchwasser für Toilettenspülung, Wäschewaschen oder Hydrokultur genutzt werden. Für die Regenwassernutzung gibt es verschiedene Systeme: die Regentonne und die Regenwassernutzungsanlage in Form eines Speichers mit einer Pumpe, die das Wasser zu den Entnahmestellen fördert. Der Speicher kann im Gebäude oder im Freien, zum Beispiel unter begrünten Außenflächen, aufgestellt werden.
Das für die Nutzung in Gebäuden zurückgehaltene Regenwasser muss hygienisch und gesundheitlich unbedenklich sein, darf keine Feststoffe wie z. B. Sand enthalten und muss chemisch unbedenklich für die Anlagenkomponenten sein. Die Qualität des Wassers wird maßgeblich durch die Eigenschaften des Wassers und der Auffangfläche sowie durch die Technik der Regenwasseranlage bestimmt. Regenwasser sollte nicht mit Chemikalien behandelt werden. Das Verteilungsnetz für die Regenwassernutzung muss getrennt von der Trinkwassernutzung ausgelegt werden, ohne Verbindung zwischen den Rohrnetzen. Regenwasser kann auch zur Löschwasserversorgung in Form von Löschwasserzisternen oder -teichen genutzt werden. Anlagen zur Regenwassernutzung verursachen zunächst Investitionskosten mit einer Amortisationszeit von meist über zehn Jahren (UBA 2020). Es gibt aber auch kostengünstigere Lösungen mit geringen Kosten für Wartung und Reinigung, wie im folgenden Beispiel beschrieben (BIMOKA o.J.).
Beispiele
Die ufaFabrik nutzt das Regenwasser von Dächern, von Gründächern und den Abfluss von grundstückseigenen Straßen für die Toilettenspülung und die Bewässerung aller Gründächer und Fassaden auf dem Gelände. Diese Regenwassernutzungsanlage ist an die konventionelle Regenwasserkanalisation angeschlossen (BIMOKA o.J.).
Im Jahr 1985 wurden zunächst Grünflächen angelegt. Neun Jahre später wurde eine Regenwassernutzungsanlage integriert (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. o.J.). Das gesammelte Wasser wird zentral in einer ehemaligen unterirdischen Wasserwerkstation gespeichert. Diese Station mit einem Fassungsvermögen von 240 m³ setzt sich aus dem Hauptbehälter mit 220 m³, einem 20 m³ großen Brauchwasserbehälter und einem Absetzbecken mit 20 m³ zusammen. Im Absetzbecken wird auch das Spülwasser aus dem Café zugeführt. Da das Regenwasser der ersten Spülung stark verschmutzt ist, wird es durch eine modifizierte Pflanzenkläranlage auf einer Fläche von 25 m² gefiltert, bevor es für die Bewässerung und die Toilettenspülung bereitgestellt wird (Jaulhac 2008, 49).
Im Sedimentationsbecken werden Steine, Sand, Schlamm und Gegenstände wie Blätter, Papier und Holz gefiltert. Anschließend flutet das Wasser durch Kies auf einem Trenngitter in das zweite Becken. Dieses grob gereinigte Wasser wird in eine filternde Pflanzenkläranlage gepumpt. Der Bodenfilter ist in der Lage, 400 Liter pro Quadratmeter und Tag zu filtern (BIMOKA o.J.). Alle restlichen Partikel werden in den Substratfiltern durch Blähschiefer gefiltert. Außerdem wandeln Bodenorganismen aus den Wurzeln von Seerosen, Binsen und Schilf weitere Verunreinigungen in Mineralien um. Die Pflanzen nutzen diese Mineralien als Dünger. Das Wasser – inzwischen fast in Trinkwasserqualität – wird aus der Zisterne unter dem Feuchtgebiet über eine Druckerhöhungsanlage auf die Gebäude verteilt. Die ufaFabrik benötigt für beide Nutzungen 3.000 m³ Wasser pro Jahr. Aufgrund des Einzugsgebietes von 7.600 m² und der mittleren Niederschlagsmenge könnte der geschätzte Bedarf mit rund 4.000 m³ vollständig durch Regenwasser gedeckt werden (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. o.J.). Allerdings stehen aufgrund von Verlusten und Verschmutzungen nur 72% des Regenwassers aus Niederschlägen zur Verfügung und 28% werden über das öffentliche Trinkwassernetz versorgt (Jaulhac 2008, 49). Somit kann ein hoher Anteil des Trinkwassers durch die Nutzung von Regenwasser verdrängt werden. Diese Regenwasseranlage wurde für die Voruntersuchung des Regenwassermanagements am Potsdamer Platz genutzt (BIMOKA o.J.).
Im Projekt IBeB der größte Teil des Daches des gesamten Gebäudes mit Kies ausgelegt und wird zur Regenwasserversickerung verwendet. Das so gewonnene Wasser wird gespeichert und zur Bewässerung der Pflanzen im gesamten Haus verwendet. Überschüssiges Regenwasser wird nach und nach der Kanalisation zugeführt. Angepflanzt werden primär robuste Pflanzen, die normalerweise in Wüsten und Steppen heimisch sind und den widrigen Witterungsbedingungen auf dem Dach standhalten können.
Erkenntnisse und Synergien
Regenwassernutzung ist ein wesentlicher Bestandteil ökologisch geplanter Projekte, indem es zur Bewässerung, zur Nahrungsmittelproduktion oder für sanitäre Einrichtungen genutzt wird, anstatt das Wasser direkt in die Kanalisation einzuleiten. Darüber hinaus kann neben der Einsparung von Trinkwasser auch Regenwasser für Trockenperioden gespeichert werden. In konventionellen Gebäuden wird fast die Hälfte des täglich verbrauchten Wassers für Toilettenspülung, Wäschewaschen und Gartenbewässerung verwendet. Für diese Funktionen bietet die Nutzung von Regenwasser ein großes Einsparpotenzial, da hierfür keine Trinkwasserqualität erforderlich ist. Regenwasser an sich ist zumeist frei von Schadstoffen und eignet sich besonders für Bewässerungszwecke. Schadstoffe werden nur dann in relevanten Mengen aufgenommen, wenn das Wasser mit den Dach-, Fassaden- oder Straßenflächen und den daran haftenden Ablagerungen in Kontakt kommt. Das Forschungsprojekt Roof Water-Farm sieht glatte Oberflächen wie Glas oder gebrannte Ziegel als geeignet an. Negative Auswirkungen auf die Wasserqualität haben Metalloberflächen wie Kupfer und Zinn, Materialien wie Bitumen, wurzelhemmende Folien oder einige biozidhaltige Wandfarben (Million et al. 2018 a, S. 15). Um Laub und Ähnliches zurückzuhalten, reicht meist ein Sieb in Kombination mit einer schwimmenden Entnahme aus der Zisterne aus. Regenwasser ist zudem sehr weich, sodass das verdunstete Regenwasser kaum Rückstände hinterlässt und somit den Wartungsaufwand minimiert, was sich kostensenkend auf den Gewächshausbetrieb auswirkt. Es eignet sich auch sehr gut für die Fischzucht (Aquaponic) und die Pflanzenzucht (Hydroponic). Bei der Regenwassernutzung, insbesondere im Hinblick auf die Lebensmittelproduktion, ist die Wahl des Einzugsgebietes und dessen Oberfläche von besonderer Bedeutung (ISR o.J.). Die Regenwassernutzung für Intensivkulturen in Gewächshäusern erfordert neben dem Gewächshausdach weitere Auffangflächen (im Gegensatz zum Grauwasserrecycling) und vergleichsweise große Speichermöglichkeiten, um den Wasserbedarf in mehrwöchigen Trockenperioden zu decken. Für die Nutzung von Niederschlagswasser aus gering belasteten Verkehrsflächen muss eine geeignete Aufbereitungsanlage vorhanden sein. (Million et al. 2018 a, S. 14).
Quellen
Bildungsmodul Klimaresiliente Architektur (BIMOKA) (n.y..): ufaFabrik, Tempelhof.
Abgerufen am 01.02.2021 von http://www.bimoka.de/projekte.html#UFA
Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. (n.y.): Drinking-water – too valuable for flushing.
Abgerufen am 01.02.2021 von https://www.ufafabrik.de/en/15585/drinking-water-too-valuable-for-flushing.html
ISR (o.J.): Betrieb & Wartung einer Regenwasseranlage. Technische Universität Berlin Fakultät VI Planen – Bauen – Umwelt Institut für Stadt- und Regionalplanung (ISR). Abgerufen am 02.02.2021 von http://www.roofwaterfarm.com/kompakt/toolbox/monitoring/regenwasser/
Jaulhac (2008): International practices and standards of Rainwater Harvesting in urban and peri-urban environment and current R&D projects. Berlin: Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH. Abgerufen am 02.02.2021 von https://publications.kompetenz-wasser.de/pdf/Jaulhac-2008-225.pdf.
Million et al. (ed.) (2018 a): ROOF WATER-FARM: Handlungsempfehlungen Hygienische Aspekte des Wasser- und Nährstoffrecyclings bei gebäudeintegrierter Farmwirtschaft. Technische Universität Berlin, Fakultät VI: Planen Bauen Umwelt, Institut für Stadt- und Regionalplanung: Berlin. https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/10855/3/roof_water-farm_handlungsempfehlungen.pdf
Million et al. (ed.) (2018 b): ROOF WATER-FARM – Urbanes Wasser für urbane Landschaft. Universitätsverlag der TU Berlin: Berlin. https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/7413/3/roof_water-farm.pdf
Umweltbundesamt Dessau-Roßlau (UBA) (2020): Regenwassernutzung. Abgerufen am 17.03.2021 von https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/garten-freizeit/regenwassernutzung#gewusst-wie