Begrünte Fassaden
Vertikale Begrünung im Hunziker-Areal © Virginia Duran

Problem

Aufgrund der starken Flächenversiegelung in Städten kommt es zu einer sommerlichen Überhitzung, die als urbaner Wärmeinseleffekt bezeichnet wird. Der Grund dafür liegt in einem Mangel an Grün- und Retentionsflächen, welche durch die Verdunstung von Wasser eine lokale Kühlung urbaner Strukturen ermöglichen. Welchen Beitrag können begrünte Fassaden zur Minderung dieses Problems leisten und wie werden sie in der Praxis umgesetzt?

Allgemeine Beschreibung

Begrünte Fassaden haben durch Verdunstung und Verschattung einen messbar positiven Einfluss auf das urbane Mikroklima. Durch Evapotranspiration verbessern sie das Mikroklima am und im Gebäude und können damit bei hohen sommerlichen Temperaturen zu einer höheren Behaglichkeit und zur Energieeinsparung beitragen (Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2010, S. 35). Durch den Kühleffekt der Evapotranspiration werden andere Sonnenschutzmaßnahmen unterstützt, was insbesondere bei Nichtwohngebäuden mit einem hohen Glasanteil in der Fassade auch zu Kosteneinsparungen führt, sowohl in moderaten (Schmidt & Roswag-Klinge 2020, S. 12-14) als auch in tropischen Klimazonen (Othman & Sahidin 2016, S. 854).

Die Verwendung von begrünten Fassaden verbessert auch die Luftreinheit. Die Blattoberflächen der Pflanzen binden Partikel aus der Atmosphäre und können dadurch die lokale Feinstaubkonzentration in der Luft um 10 bis 20% reduzieren (Pauli & Schauermann 2017, S. 55). Eine höhere Dichte an Blättern führt zu einer höheren Filtrationsleistung (Blattflächenindex) (Pauli & Schauermann 2017, S. 53). In hochfrequentierten Straßen helfen begrünte Fassaden in unteren Ebenen – insbesondere auf der Leeseite der Straße -, die aufsteigende Luft vor dem Eintritt in die Gebäude zu reinigen und zu filtern.

Zudem können Fassadenbegrünungen den Schall, der zwischen den Gebäudefassaden reflektiert wird, absorbieren und dadurch den Gesamtlärmpegel reduzieren. Auch Balkone oder andere Überhänge mit einer grünen Fassade reduzieren die Lärmbelastung. Der Schallpegel lässt sich um bis zu 10 dB(A) verbessern, was dem Stressabbau und Wohlbefinden und somit zur Gesundheit der Bewohner:innen beiträgt (Pauli & Schauermann 2017, S. 48). Menschen schätzen auch die visuelle Qualität von Pflanzen, deren psychologische Wahrnehmung ebenfalls nachweislich eine stressabbauende Wirkung hat (Pauli & Schauermann 2017, S. 53, 54; Adli 2017, S. 212 f.). Nicht zuletzt tragen begrünte Fassaden zu einer Erhöhung der Biodiversität bei, indem sie geeignete Lebensräume für Insekten und Vögel bieten (Pfoser 2016, S. 98). 

Fassadenbegrünungen können sowohl als High-Tech- als auch als Low-Tech-Lösung umgesetzt werden. Die bodengebundene Fassadenbegrünung kann mit direktem Bewuchs in Form von Selbstklimmern oder leitendem Bewuchs mit Gerüstkletterern erfolgen. Mit Seilsystemen oder Metallnetzen können architektonische Raster oder Flächen geschaffen werden (Pfoser 2016, S. 66). Wandgebundene Fassadenbegrünungen ohne Bodenanschluss können als Regalsysteme, modulare oder flächige Systeme ausgeführt werden (Pfoser 2016, S. 67). Außerdem ist es möglich, beide Kategorien miteinander zu kombinieren (Pfoser 2016, S. 69). Aufwändige Wandinstallationen wie von Patric Blanc oder der Bosco Verticale des Architekturbüros Boeri Studio in Mailand (2014) bedürfen einer aufwendigen Bewässerungsanlage sowie regelmäßiger professioneller und kostenintensiver Pflege (Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2010, S. 37).

Beispiele

Das Hunziker Areal setzte eine troggebundene Fassadenbegrünung am Gebäude ‘E’ um (Baugenossenschaft mehr als wohnen o.J.). In jedem zweiten Stockwerk sind dort Tröge abwechselnd direkt in die Balkone integriert (Hugentobler et al. 2016, S. 85). In einer Studie wurde 2019  festgestellt, dass das Hunziker Areal eine starke Hitzeinsel in Zürich ist, wo im Vergleich zu anderen Orten in der Stadt zwei bis drei Grad höhere Temperaturen gemessen wurden. Die Genossenschaft mehr als wohnen möchte nun Fassadenbegrünungen als klimaregulierenden Eingriff installieren. Die Wirkung wird gemessen und dokumentiert (Baugenossenschaft mehr als wohnen o.J.).

In der ufaFabrik sind kostengünstige Fassadenbegrünungen mittels an der Fassade angebrachter Stahldrähte mit für den jeweiligen Standort geeigneten Pflanzen realisiert. Je nach Orientierung der Fassaden wachsen dort andere Pflanzen und schützen diese vor Verwitterung (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V o.J.).

Erkenntnisse und Synergien

Eine Implementierung von vertikaler Fassadenbegrünung an einem Gebäude reduziert die Temperatur eines Gebäudes und seiner Umgebung deutlich und erhöht gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit. Die Begrünung verbessert so das lokale Mikroklima, fördert die Gesundheit, indem Luftverschmutzung und Stadtlärm gemindert werden und schafft ökologische Nischen für Tierleben in der Stadt. Durch die Vervielfachung der Regenwasserverdunstung bei gleichzeitiger Reduzierung der Hitze wird die Klimabilanz in der Stadt gefördert und Kanalsysteme entlastet (Pfoser 2016, S. 86). Dabei haben begrünte Fassaden die größte Wirkung in dichten Städten und heißen Klimazonen. Aufgrund der Begrünungsphasen können Gebäudebegrünungen zugleich Wärmegewinn und -abwehr auf natürliche Weise regulieren (Pfoser 2016, S. 88). Sie sind in der Lage 50 % der Sonneneinstrahlung aus dem Straßenraum zu entfernen, sodass sie auch für die Fußgängerzirkulation von Vorteil sind. Städte würden von mehr Grün auf Straßenebene profitieren, da diese Bereiche den größten Teil der solaren Gewinne abfangen. Dabei sind die mittleren Temperatursenkungen weitaus geringer als die Spitzenreduzierungen bei Hitzeinseln (Pauli & Schauermann 2017, S. 55).

Fassadenbegrünung  können mit einer Regen- oder Grauwassernutzung kombiniert werden (Pfoser 2016, S. 86). Die kühlende Wirkung führt auch zu einer Synergie in der Anwendung begrünter Fassaden mit Photovoltaik (PV), da sich die Stromleistung der PV-Module mit zunehmender Aufheizung verringert. Die Kombination von Solarthermie mit einer Fassadenbegrünung wirkt hingegen generell leistungsmindernd. Jedoch kann diese als saisonale Kollektoren-Nutzung in der Heizperiode Anwendung finden (Pfoser 2016, S. 85). Begrünte Fassaden schaffen eine Verbindung zwischen Effizienz, einer grünen Infrastruktur sowie einer psychologischen und ästhetischen Wirkung.

Quellen

Adli, Mazda (2017): Stress and the City. Warum Städte uns krank machen. Und warum sie trotzdem gut für uns sind. Bertelsmann, München.

Baugenossenschaft mehr als wohnen (o.J.): mehr als Aussenraum.
Abgerufen am 22.02.2021 von https://www.mehralswohnen.ch/hunziker-areal/aussenraum/ 

Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.) (2010): Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung.  http://www.gebaeudekuehlung.de/SenStadt_Regenwasser_dt.pdf

Hugentobler, M., Hofer, A. & Simmendinger, P. (Hrsg.) (2016): Mehr als wohnen – Genossenschaftlich planen – Ein Modellfall aus Zürich. Birkhäuser Verlag GmbH: Basel.

Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V (o.J.): Fassadenbegrünung.
Abgerufen am 21.12.2021 von https://www.ufafabrik.de/de/10569/fassadenbegrunung.html

Othman, Ahmad Ridzwan; Sahidin, Norshamira (2016): Vertical Greening Facade as Passive Approach in Sustainable Design. Faculty of Architecture, Planning and Surveying: Shah Alam. Procedia – Social and Behavioral Sciences 222 (2016), 845-854

Pauli, M. & Schauermann, R. (2017): Messbare Vorteile von Fassadenbegrünungen. In DETAIL green, Ausgabe 1/2017, 56-60, Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München.

Pfoser, Nicole (2016): Fassade und Pflanze – Potenziale einer neuen Fassadengestaltung. TU Darmstadt: Darmstadt. Abgerufen am 22.02.2021 von https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/5587/

Schmidt, Marco; Roswag-Klinge, Eike (2020): Regenwassernutzung zur Bewässerung einer Fassadenbegrünung. Ernst & Sohn Special 2020: Regenwassermanagement. Abgerufen am 12.05.2022 von  http://www.bimoka.de/pdf/RWM2020.pdf