Dachbegrünung
Dachbegrünung in der ufaFactory 2 © Marlene Hildebrandt 2021

Problem

Unsere heutigen Städte sind meist stark versiegelt. Die Folgen davon sind ein Mangel an Retentionsflächen zur Aufnahme von Regenwasser und eine daraus resultierende sommerliche Überhitzung. Zudem sind Städte durch eine hohe Luftverschmutzung aus Feinstaub und Stickoxiden belastet. Wie können Dachbegrünungen diesen Entwicklungen entgegenwirken und zu resilienten Städten beitragen?

Allgemeine Beschreibung

Begrünte Dächer dienen als Ausgleich für versiegelte Flächen und zur Wasserrückhaltung. Das schafft bessere mikroklimatische Bedingungen, verhindert eine Überlastung der Kanalsysteme und durch die Vegetation können Luftverschmutzungen absorbiert werden. Der Kühleffekt begrünter Dächer ist auf den hohen Anteil der Verdunstung zurückzuführen, der die Oberflächentemperatur, die Aufheizung der Umgebungsluft und den Wärmeeintrag in das Gebäude reduzieren kann. Dabei hängt die Intensität des Kühleffekts von der Bodenfeuchte ab – diese kann bei längeren Hitzeperioden ohne zusätzliche Bewässerung verloren gehen. Die Energiebilanz begrünter Gebäude variiert somit je nach Dachtyp aufgrund von Parametern wie der Verdunstung, Reflexion und Wärmeabgabe an die Luft (Schmidt & Roswag-Klinge 2020, S. 12). 

Im Gegensatz zu konventionellen Dächern können sich begrünte Dächer nur bis zu 30 °C aufheizen. Auch ihre jährliche Temperaturschwankung beträgt nur etwa 30 °C, während sie bei konventionellen Dachmaterialien auf bis zu 100 °C geschätzt wird. Begrünte Dächer können also die Lebensdauer der Dacheindeckung verlängern. Typischerweise besteht der Aufbau aus den folgenden Schichten (von innen nach außen): wurzelfeste Dachabdichtung, Schutzschicht (Schutz- und Speichervlies), Drainage- und Wasserspeicherschicht bzw. -element, Filterschicht, Vegetationsträger (Substrat) und Vegetationsschicht (Magistrat Linz 2020, S. 4).

In Abhängigkeit von Substrat- und Vegetationshöhe wird zwischen extensiver und intensiver Begrünung unterschieden. Bei der extensiven Dachbegrünung handelt es sich um eine sich weitgehend selbst erhaltende und selbst entwickelnde, naturnah angelegte Begrünung. Diese Form der Begrünung ist auf flachen und geneigten Dächern realisierbar. Voraussetzungen für eine Dachbegrünung sind eine statische Prüfung, da die Deckenkonstruktion für das zusätzliche Flächengewicht ausgelegt sein muss, ein vollständig abgedichtetes Dach (Schutz vor Wurzeln) und die Prüfung der Standortbedingungen wie die Himmelsrichtung und Verschattungssituation. Zur Bepflanzung eignen sich frost- und trockenheitsresistente, niedrig wachsende Pflanzen wie Zwiebelgewächse, Bodendecker (z.B. Sedum-Arten), Moose, Gräser und Kräuter (Magistrat Linz 2020, S. 4). Die Gesamthöhe der Extensivbegrünung beträgt zwischen 6 und 15 cm und das Flächengewicht beträgt etwa 0,5 bis 1,5 kN/m². Ein Begehen des Daches ist nur zu Servicezwecken möglich. Außerdem benötigt die extensive Begrünung meist keine zusätzliche Bewässerung und kann in der Regel mit geringem Aufwand angelegt und gepflegt werden (Phoser et al. 2013, S. 55-57).

Intensive Dachbegrünungen haben einen dickeren Schichtaufbau von 15 bis 100 cm mit einem höheren Verdunstungs- und Wasserrückhaltevermögen als extensive Dachbegrünungen (Becker & Neuhaus 2016, S. 31). Sie können dauerhaft genutzt werden und der höhere Aufbau erhöht das Begrünungspotenzial und damit auch die Klimawirkung. Spezielle Strukturen ermöglichen bei vergleichsweise geringer Substratdicke die Aufnahme und Speicherung von Wasser in einem Kammersystem (ebd.). Bei intensiv begrünten Dächern handelt es sich um eine eher aufwändige Begrünung mit Stauden, Sträuchern, Rasen und eventuell auch Bäumen. Hierbei sind bei der Ausführung mit einer Substratfüllung mit entsprechender Höhe keine Grenzen bei der Pflanzenauswahl gesetzt. Bäume zum Beispiel benötigen eine Substrathöhe von mindestens 80 cm. Die statische Belastung von über 3,0 kN/m² ist statisch relevant, sodass die Daten bei der Planung berücksichtigt werden müssen (Phoser et al. 2013, S. 62-71). 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, intensiv begrünte Dächer zu nutzen. Sie können laubabwerfend, immergrün oder wintergrün gestaltet werden und auf Dächern mit einer Dachneigung von 0 bis 5 Grad eingesetzt werden. Eine Kombination mit Terrassenflächen, Sitz- und Gehbereichen oder beispielsweise Spielflächen und Wasserbecken ist möglich. Sie müssen intensiv gepflegt werden, wozu insbesondere eine regelmäßige Versorgung mit Wasser und Nährstoffen und auch die Möglichkeit zur Notbewässerung in Trockenperioden gehört, idealerweise mit Regenwasser. Somit ist der Wartungs- und Pflegeaufwand höher als bei einer Extensivbegrünung. Dies ist jedoch abhängig von der Pflanzenauswahl der intensiven Begrünung (Pfoser et al. 2013, S. 67). Alternativen zur Intensivbegrünung mit Substratschüttung sind Anwendungen mit Pflanzgefäßen und Modulsystemen. Das Potenzial der Begrünung mit Pflanzgefäßen liegt in der flexiblen Handhabung sowie ihrer Wandelbarkeit und Erweiterbarkeit. Diese Anwendung kann auf allen statisch ausreichend dimensionierten ebenen Flächen mit Sturmsicherheit eingesetzt werden. Aufgrund des schnellen Aufbaus eignet sich besonders für temporäre Begrünungen wie Interimslösungen mit vorkultivierten Pflanzgefäßen, benötigt keinen Gründachaufbau und bietet eine große Pflanzenauswahl durch das flexible Einsetzen von nicht winterharten Pflanzen, die in geeigneten Räumen überwintern müssen (Pfoser et al. 2013, S. 68). Im Vergleich zu anderen Intensivbegrünungssystemen sind modulare Systeme auch für geneigte Flächen bis zu 20 Grad geeignet. Zudem kann das Substrat nicht durch Wind verweht werden (Pfoser et al. 2013, S. 69). Weiterhin wird die einfache Intensivbegrünung unterschieden (Baumüller 2018, S. 112). Hierbei handelt es sich um eine kostengünstige Sonderform, bei der die Pflanzen so zusammengestellt werden, dass sie nur bei Bedarf zusätzlich bewässert und gepflegt werden müssen. Die Aufbauhöhe ist etwas höher als bei der extensiven Dachbegrünung, meist zwischen 15 und 25 cm, und das Aufbaugewicht liegt zwischen 1,5 und 3,0 kN/m² (Pfoser et al. 2013, S. 62-71).

Beispiele

Auf dem Gelände der ufaFabrik sind 4000 m² Dachfläche mit rund 100 verschiedenen Pflanzenarten extensiv begrünt (Becker, Neuhaus 2016, S. 32; Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. o.J.a). Von dieser Vielfalt profitieren Insekten und Vögel. Eine anfängliche Bewässerung förderte das Wachstum der empfindlichen Pflanzen. Inzwischen hat sich die Vegetation an eine geringere Wasserversorgung angepasst, nur einige Dächer werden gelegentlich mit gesammeltem Regenwasser bewässert (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. o.J. b). Die Dachbegrünungen der ufaFabrik wurden wissenschaftlich begleitet. So verdunsten etwa 75 % des von den Dächern aufgefangenen Regens wieder mit positiven Auswirkungen auf das Mikroklima. Außerdem nehmen die Gründächer bis zu 2000 kg Staub pro Jahr auf (Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. o.J. a). Zur Abdichtung wurde eine ungiftige Folie aus recyclebarem Polyolefin verwendet. Das darüber liegende Substrat besteht aus Blähton, Blähschiefer und Erde. Diese Kombination ist leichter als normale wasserhaltige Erde und kann mehr Wasser aufnehmen. Gleichzeitig erhöhen das Substrat und die Vegetation die Haltbarkeit des Daches und schützen es vor Verwitterung.

Den Mieter:innen der Kalkbreite steht ein 2500 m2 großer öffentlich zugänglicher Innenhof zur Verfügung, der sich über einer Straßenbahnhalle befindet und intensiv begrünt wurde. Hier wurden Bäume und Sträucher gepflanzt, Bänke, ein Kinderspielplatz sowie ein Wasserspiel und Sandkasten realisiert. Darüber hinaus gibt es auf den Dächern der Blockrandbebauung auf verschiedenen Ebenen weitere, eher private, grüne Freiflächen mit mehreren Dachgärten, die von den Bewohner:innen bewirtschaftet werden (Genossenschaft Kalkbreite o.J.).  

Erkenntnisse und Synergien

Gründächer sorgen als neue Grün- und Freiflächen für eine höhere Lebensqualität und begünstigen das psychische Wohlbefinden der Bewohner:innen. Sie haben auch einen positiven Effekt auf die Biodiversität, da sie Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten bieten (Becker, Neuhaus 2016, S. 32). Gründächer erzeugen durch ein hohes Regenrückhaltepotenzial und die Reduzierung der Oberflächen- und Lufttemperaturen positive mikroklimatische Effekte.  Bei einem 40 cm hohen Gründachaufbau besteht bereits ein Unterschied von 5 °C zwischen der Lufttemperatur auf einem Gründach gegenüber einem bekiesten Dach. Dieser Effekt ist bei höherem Bewuchs und größeren Blattflächen stärker – und damit auch ein Vorteil von Intensivbegrünungen gegenüber Extensivbegrünungen. Sogenannte blaugrüne Dächer sind eine Kombination aus Begrünung und Wasserspeicherung und besonders geeignet im Hinblick auf die Klimaanpassung. Das Wasser wird über einen längeren Zeitraum gespeichert und wird in Trockenperioden durch die Evapotranspiration der Dachvegetation zur Kühlung freigesetzt (Becker, Neuhaus 2016, S. 23). 

Extensive Dachbegrünungen sind auf die meisten bestehenden Dächer übertragbar. Intensive Dachbegrünungen sind aufwendiger, bieten aber meist ästhetische, private und gemeinschaftlich nutzbare Freiräume. Zudem haben sie aufgrund des höheren Aufbaus und der Pflanzenhöhen einen stärkeren Einfluss auf das Stadtklima sowie die Energiebilanz als die extensive Dachbegrünung. Diese kann auch mit Photovoltaik kombiniert werden. Diese Kombination nutzt Synergieeffekte zwischen Klimaschutz und -anpassung. Einige Pflanzen wachsen durch Verschattung und die höhere Luftfeuchtigkeit unter den Solarmodulen besser, während diese durch die niedrigere Temperatur aufgrund des Gründachs und gegebenenfalls zusätzlicher Bewässerung leistungsstärker sind. Unter Solarmodulen kann es auch zu einer höheren Artenvielfalt kommen (Magistrat Linz 2020, S. 2). Für den Einfluss auf das Stadtklima spielt der Gesamtanteil der begrünten Dachflächen auf Stadtteilebene eine entscheidende Rolle. Parameter für die Stärke der Temperatursenkung sind die Dichte und Höhe der Bebauung sowie der Anteil der begrünten Dächer. Während der klimatische Einfluss isolierter Gründächer sich primär auf die Dachebene beschränkt, kann in einem größeren Netzwerk von Gründächern das gesamte Stadtklima beeinflusst werden.

Quellen

Becker, Carlo W.;  Neuhaus, Anna (2016): Stadtentwicklungsplan Klima – KONKRET – Klimaanpassung in der wachsenden Stadt. Berlin: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Herausgeber: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Inhalte und Bearbeitung bgmr Landschaftsarchitekten GmbH. Abgerufen am 08.02.2021 von 
https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/download/klima/step_klima_konkret.pdf

Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg) (2010): Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. http://www.gebaeudekuehlung.de/SenStadt_Regenwasser_dt.pdf

Genossenschaft Kalkbreite (o.J.): Aussenräume. Abgerufen am 22.02.2021 von  https://www.kalkbreite.net/kalkbreite/gemeinsam-nutzen/aussenraeume/

Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. (o.J.a): Green roofs. Abgerufen am 08.02.2021 von https://www.ufafabrik.de/en/15582/green-roofs.html

Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V. (o.J.b): Vegetation research. Abgerufen am 09.02.2021 von https://www.ufafabrik.de/en/15584/vegetation-research.html

Magistrat Linz – Planung, Technik und Umwelt (ed.) (2020): Fassaden- und Dachbegrünung – Die Stadt mit Pflanzen kühlen. Linz: Magistrat Linz – Planung, Technik und Umwelt. https://www.linz.at/medienservice/2020/files/Fassaden_und_Dachbegruenung_Folder_.pdf

Pfoser, N., Jenner, N., Henrich, J., Heusinger, J. & Weber, S. (2013): Gebäude, Begrünung und Energie: Potenziale und Wechselwirkungen. Abschlussbericht August 2013. TU Darmstadt und TU Braunschweig: Bonn. https://www.irbnet.de/daten/rswb/13109006683.pdf

Schmidt, Marco; Roswag-Klinge, Eike (2020): Regenwassernutzung zur Bewässerung einer Fassadenbegrünung. Ernst & Sohn Special 2020: Regenwassermanagement. Abgerufen am 12.05.2022 von  http://www.bimoka.de/pdf/RWM2020.pdf