Selbstorganisierte Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe für gemeinschaftliches Wohnen in Nova Cernovka © Michael Prytula 2020

Problem

Um die Komplexität und den Umfang der Arbeit innerhalb einer heterogenen Wohngemeinschaft zu bewältigen, sind offene und demokratische Prozesse zur Entscheidungsfindung und aktive Arbeitsgruppen unerlässlich. Vielfach sind ehrenamtliche Tätigkeiten zu organisieren oder professionelle Aufgaben zu erledigen. Welche Formen können selbstorganisierte Arbeitsgruppen in der Planung, während den Bauprozessen oder in der Nutzungsphase von Gebäuden annehmen? Welchen Beitrag können sie dabei leisten?

Allgemeine Beschreibung

Die Organisation von Arbeitskreisen oder die Gründung von gemeinnützigen Vereinen (Hausverein) unterstützen die Selbstorganisation der Bewohner. Dies geschieht zum Zweck verschiedener Anliegen wie Planungsprozesse, Renovierungsarbeiten, Instandhaltung und Betrieb von nicht-privaten Räumlichkeiten, Organisation von kulturellen Veranstaltungen oder die Integration neuer Bewohner:innen.

Beispiele

In der Kalkbreite wurde als Entscheidungs- und Planungsforum ein “Gemeinrat” gegründet, der sich monatlich trifft. Er ermöglicht den Bewohner:innen, sich über soziale, kulturelle und politische Initiativen, Budget-, Bau- und Instandhaltungsfragen zu informieren und an Entscheidungen mitzuwirken oder eigene Projekte zu initiieren. Die Projekte konzentrieren sich in der Regel auf die Belebung von nicht-privaten Räumen. Der von Ehrenamtlichen geführte Gemeinrat entscheidet über die Projekte, die anschließend von Arbeitsgruppen umgesetzt werden. Auch Außenstehende sind eingeladen, sich zu engagieren. Außerdem wurde ein System eingeführt, bei dem die Bewohner:innen für ihre Zeit bezahlt werden, sobald sie mehr als 20 Stunden ehrenamtliche Arbeit leisten. Dies kann dazu beitragen, Bewohner:innen einerseits zu ermutigen und andererseits zu entschädigen, wenn sie mehr Zeit in den Aufbau, die Instandhaltung und die Verwaltung des Projekts investieren.

In ähnlicher Weise gibt es im Projekt Spreefeld ein System, bei dem die Bewohner:innen ihre Arbeitskraft in den Innenausbau der eigenen Wohnungen und Gewerberäume investieren können und so eine Ermäßigung auf das erforderliche Startkapital erhalten.

Die Giesserei hat eine Reihe von Initiativen ins Leben gerufen, die die Bewohnerschaft dabei unterstützen, ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen. So gibt es ein Programm, das in Themen wie Selbstverwaltung einführt und den Diskurs darüber eröffnet, damit Bewohner:innen ihre eigene Rolle im Projekt finden. Außerdem gibt es die “Giesserei-Stunden”, das bedeutet, dass jede Bewohnerin und jeder Bewohner 36 “Arbeitsstunden” pro Jahr für das Gemeinschaftsprojekt an Managementaufgaben, Wartungs- und Reparaturtätigkeiten oder Reinigungs- und Pflegedienste leisten muss.

Erkenntnisse und Synergien

Bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten bietet es sich an, Arbeitsgruppen für verschiedene Aufgabenbereiche und die dort anfallenden Tätigkeiten einzurichten. Die Entscheidungsfindung innerhalb dieser Gruppen erfolgt meist im Konsens. Modelle der kollektiven Selbstorganisation sind zwar oft mit erheblichem Zeit-, Energie- und vielleicht auch Geldaufwand verbunden. Die Einbeziehung der Bewohner:innen in die Planung, in den Bau oder Umbau sowie in das Betriebsmanagement stärkt aber auch die Identifikation und Eigenverantwortung mit dem Projekt, was die Gemeinschaft stärkt, Kosten reduziert, ein nachhaltigeres Verhalten fördert und insgesamt zu einem langfristigen Bestehen beiträgt. Voraussetzung für jede erfolgreiche selbstorganisierte Arbeitsgruppe ist eine funktionierende Kommunikation, Transparenz und Vertrauen untereinander.

Quellen

Kalkbreite (o.J.): Anleitung Kalkbreite. Abgerufen am 20.04.2021 von http://anleitung.kalkbreite.staging-flake.tk/struktur/gemeinrat.html

id22 (2021): Social*Ecological Co*Housing, Teil des CMI.BA-Forschungsprojekts